Realistischere Verbrauchswerte bedeuten eine höhere Kfz-Steuer
Das WLTP-Messverfahren ermittelt realistischere Verbrauchswerte, weil die Messungen über längere Strecken erfolgen und die Geschwindigkeits- und Lastverhältnisse anspruchsvoller sind als im bisherigen Messverfahren. Außerdem beinhaltet das neue Verfahren auch RDE-Tests, Real Drive Emissions, die auf der Straße zu absolvieren sind. Dadurch werden Schummeleien, wie sie in der Dieselaffäre entdeckt wurden, nahezu unmöglich. Gleichzeitig müssen die bisherigen Euro 6-Grenzwerte weiterhin eingehalten werden.
So positiv dieser Ansatz auch ist, so hat das neue Messverfahren jedoch negative Auswirkungen auf die zu zahlende Kfz-Steuer. In Deutschland wird seit Juli 2009 die Kfz-Steuer nach dem Hubraum und dem CO2-Ausstoß berechnet. Durch das neue Messverfahren ergeben sich meistens höhere Werte für den CO2-Ausstoß als nach dem bisher verwendeten NEFZ-Verfahren. Prognosen erwarten, dass der ermittelte CO2-Wert um 20 % höher liegt als bisher. Dieses würde einen Anstieg der Kfz-Steuer um durchschnittlich 50,00 Euro pro Fahrzeug und Jahr bedeuten. In Einzelfällen kann sich die Kfz-Steuer bei einer Erstzulassung ab dem 1. September 2018 um mehr als 70 % gegenüber einer Erstzulassung bis zum 31. August 2018 erhöhen. Dabei handelt es sich um das gleiche PKW-Modell und die gleiche Ausstattung.
Die Erhöhung der Kfz-Steuer trifft nur Erstzulassungen ab dem 1. September 2018
Von dem neuen Messverfahren profitiert zunächst nur der Finanzminister, da sich die Einnahmen aus der Kfz-Steuer erhöhen. Bisher betragen die jährlichen Einnahmen aus der Kfz-Steuer für den Bund knapp 9 Milliarden Euro. Trotz gleicher Schadstoffbelastung und gleichem Verbrauch sind nach dem WLTP-Messverfahren Steuermehreinnahmen von jährlich rund 170 Millionen Euro zu erwarten.
Aber die Steuermehreinnahmen sprudeln nicht sofort ab dem 1. September 2018, denn für bereits zugelassene PKW ändert sich die Kfz-Steuer nicht. Die neue Steuerberechnung trifft nur PKW, die ab dem 1. September 2018 erstmals neu zugelassenen werden. Zur Zeit existieren wegen der Umstellung auf das neue Messverfahren nach WLTP bei fast allen Autoherstellern Lieferengpässe. VW muss zum Beispiel mehr als 260 Kombination von Motor und Getriebe neu messen und zertifizieren lassen.
In zwölf Monaten plant das Bundesfinanzministerium eine Überprüfung der Berechnungsmethode
Der ADAC fordert wegen der finanziellen Ungleichbehandlung eine Anpassung der Steuerberechnung an das neue Messverfahren. Seitens des Bundesfinanzministeriums ist eine Überprüfung der Berechnung jedoch erst in zwölf Monaten vorgesehen. Als Begründung führt das Ministerium die fehlende Datenbasis an, die eine Aussage über die Auswirkungen der neuen Berechnungsbasis auf die Steuerpflichtigen aktuell nicht zulässt.
Eine negative Auswirkung auf die Kaufentscheidung der Kunden sehen die Experten nicht, da die Kfz-Steuer nur einen geringen Anteil an den Fixkosten des Autos ausmacht. Die Ausgaben für Kasko- und Haftpflichtversicherung sowie der Wertverlust, besonders in den ersten drei Jahren, liegen weit höher. Bei einem Diesel kann der Wertverlust bis zu 46 % des Listenpreises ausmachen, bei einem Benziner immer noch 42 %.
Der Anteil an Erstzulassungen wird wegen dem neuen Messverfahren kurzfristig weiter zurückgehen
Für Autokäufer kann ein junger Gebrauchter, auch in Bezug auf die Kfz-Steuer, eine günstige Alternative sein. Der Anteil an zugelassenen Neuwagen bei Privatkäufen in den letzten zwölf Monaten lag nur bei 16 % und könnte durch die Probleme, die durch das neue Messverfahren WLTP verursacht werden, noch weiter zurückgehen.
Gegenüber dem alten Messverfahren müssen die Autohersteller neben der Standardversion des Fahrzeugtyps auch mehrere Ausstattungsvarianten prüfen und zertifizieren lassen. Besitzt das Fahrzeug kein WLTP-Zertifikat, darf es seit dem 1. September 2018 nicht mehr zugelassen werden. Da einige Hersteller es nicht mehr geschafft haben, für alle Modelle und Modellvarianten die erforderliche Zertifizierung zu erlangen, haben sie die entsprechenden Autos bereits im Juli und August 2018 zugelassen. Die höhere Zulassungszahl dieser beiden Monate, die mehr als 10 % gegenüber den Vergleichsmonaten betrug, resultiert also nicht alleine aus der niedrigeren Kfz-Steuer.
Wenn der Autokäufer trotzdem einen Neuwagen vom Band ordert, kann es zu Verzögerungen beim Liefertermin kommen, weil ein Modell ohne WLTP-Zertifikat seit dem 1. September 2018 nicht mehr produziert werden darf. Für Lagerbestände, für die nur eine Zertifizierung nach dem alten NEFZ-Verfahren vorliegt, kann der Hersteller eine Ausnahmegenehmigung beim Kraftfahrt-Bundesamt beantragen. Wenn diese erteilt wird, wird die Kfz-Steuer nach dem alten Messverfahren ermittelt. Wie häufig diese Ausnahmegenehmigung von den Herstellern beantragt werden wird, ist aktuell nicht absehbar.
Hilft das neue Messverfahren bei der Umstellung auf alternative Antriebe?
Trotz der Probleme und Schwierigkeiten durch die Einführung des neuen Messverfahrens, wird dessen Einführung dennoch als richtig angesehen. Der reale Wert der Fahrzeugemissionen hatte sich immer weiter von den nach dem NEFZ-Verfahren ermittelten Werten entfernt. Das neue Verfahren könnte, nach Meinung von Experten, in Zusammenhang mit strengeren CO2-Grenzwerten den Umstieg auf alternative Antriebe vorantreiben. Deswegen fällt einigen Politikern die durch das WLTP-Messverfahren entstandene Erhöhung der Kfz-Steuer noch zu gering aus. Sie fordern eine stärkere Belastung für PKW mit hohem Spritverbrauch und entsprechend hohem CO2-Ausstoß. Mit diesen Steuermehreinnahmen könnte die Umstellung auf alternative Antriebe unterstützt und das Ende der Verbrennungsmotoren eingeläutet werden.